Vergangenen Sommer hatte meine Tochter schriftliche Maturaprüfungen – der Kanton St.Gallen gehörte zu den wenigen Kantonen, die nicht darauf verzichten wollten. Es erstaunte mich, dass weder Berufs- noch Mittelschulen die Möglichkeiten einer Online-Prüfung in Erwägung zogen.
Unterdessen habe ich in meinem Fernstudium an IUBH mehrere Prüfungen online abgelegt. Auch wenn es einige Nachteile gibt, so bin ich doch überzeugt, dass die Vorteile überwiegen. Sowohl für die Schulen und Universitäten, als auch für die Absolventinnen und Studenten.
Die IUBH nutzt für die Online-Prüfung den Dienst von Examity. Die Prüfung findet online im Browser statt. Ein sogenannter Proctor beaufsichtigt die Prüfung via Webcam und via Screensharing. Jede Hochschule kann da eigene Prüfungsregeln festlegen: Welche Hilfsmittel sind erlaubt? Ist ein Glas Wasser auf dem Tisch erlaubt?
Die Nachteile einer Online-Prüfung
Sprachliche Barrieren
Damit man zu jeder Tages- und Nachtzeit ortsunabhängig die Prüfung schreiben kann, hat Examity Prüfungsaufsichtspersonen aus unterschiedlichen Zeitzonen. Obwohl die IUBH eine deutsche Hochschule ist, muss man Englisch sprechen, um eine Prüfung online zu schreiben. Denn die Prüfungsaufsicht spricht nur Englisch.
Ich nehme an, dass Examity gewisse Mindestanforderungen an die Sprachkenntnisse der Proctors stellt. Ein Akzent oder auch ein schlechtes Mikrofon des Gegenübers kann allerdings dazuführen, dass die Verständigung nicht so geschmeidig wie gewünscht erfolgt. Nicht zuletzt auch, weil du in der Prüfungssituation vielleicht sowieso schon etwas nervös bist.
Fehlende Kenntnisse der Proctors
Auch kann es passieren, dass die Aufsichtsperson zu wenig über die Prüfungsregeln deiner Schule informiert ist. Als ich kürzlich meine Prüfung in «Mathematik Grundlagen» ablegte, ging ich gemäss Prüfungsreglement davon aus, dass ein leeres Schmierpapier erlaubt ist. Erfolg oder Misserfolg hängt in meinem Fall sogar stark davon ab, denn so kann ich meine Überlegungen, Schlussfolgerungen und Zwischenresultate notieren.
Meine Prüfungsaufsicht wusste aber nichts von diesem erlaubten Hilfsmittel, so dass ich die erste Viertelstunde meiner Prüfung darauf verzichten musste. Zum Glück klärte sie es dann noch ab und informierte mich anschliessend, dass sie sich geirrt hatte und ich Schmierpapier doch verwenden durfte.
Keine konzipierte Prüfung
Bei einer Präsenzprüfung stellt der Dozent oder die Dozentin eine Prüfung zusammen und achtet wohl auch darauf, möglichst verschiedene Bereiche der prüfungsrelevanten Inhalte abzudecken.
Für die Online-Prüfungen stellen die Dozentinnen und Dozenten ein Set an möglichen Prüfungsfragen zusammen. Jede Online-Prüfung sieht anders aus: Per Zufall werden verschiedene Fragen ausgewählt. Es kann dann auch passieren, dass du in deiner Prüfung zwei thematisch sehr ähnliche Fragen antriffst. Wenn du die Antwort kennst, kriegst du da quasi Gratispunkte geschenkt. Wenn du die Antwort nicht kennst, verlierst du die Punkte gleich zweimal.
Die Vorteile einer Online-Prüfung
Doch wie ich bereits erwähnte: Aus meiner Sicht überwiegen die Vorteile. Für jeden Kurs erstelle ich einen groben Zeitplan und setze mir ein Zieldatum, wann ich die Prüfung schreiben möchte.
Via Examity ist es möglich, sich am gleichen Tag für eine Prüfung anzumelden. Das heisst, ich kann spontan entscheiden, ob ich mich bereit fühle oder etwas mehr Zeit benötige. Das hilft auch der Prüfungsnervosität entgegen, weil ich nicht tage- oder wochenlang auf den Prüfungstermin warten muss.
Gerade für Studentinnen wie mich, die im Ausland leben und ein Fernstudium absolvieren, sind Online-Prüfungen ein riesiger Schritt in Richtung echte Orts- und Zeitunabhängigkeit. Ich bin froh, dass meine Schule diese Möglichkeit anbietet und hoffe, dass das in der nahen Zukunft zur Selbstverständlichkeit wird.