Wie barrierefrei ist SwissCovid, die Schweizer Tracing-App?

Das Bundesamt für Gesundheit BAG schreibt in den FAQ zur SwissCovid-App: «Beim Launch der SwissCovid App wird die App auf einem Stand sein, bei der sie von Menschen mit visuellen Einschränkungen grundsätzlich bedienbar ist.» Ich will es genauer wissen und habe die App deshalb heruntergeladen und getestet.

Es ist unklar, welche Organisationen die App auf Barrierefreiheit testen. Weder auf Github noch auf der Website des Nationalen Zentrum für Cybersicherheit (NCSC) finde ich umfassende Angaben zum Thema oder zu allfälligen Testergebnissen. Es ist umstritten, ob Personen, die nicht dazu eingeladen worden sind, die App schon installieren sollten. Dazu kommt, dass ich in den USA lebe, also sowieso nicht mit anderen Schweizerinnen und Schweizern in Kontakt komme.

Dennoch habe ich die SwissCovid-App getestet. Die digitale Barrierefreiheit ist mir wichtig, weshalb ich regelmässig über Accessibility blogge. Als Mitglied der Organisation «International Association of Accessibility Professionals» will ich mit meiner Arbeit einen Beitrag zu einer inklusiven Gesellschaft leisten.

Wie barrierefrei ist die Schweizer Tracing-App SwissCovid? Die gute und kurze Antwort:

Sie ist auf dem iPhone mit VoiceOver gut bedienbar.

Drei Aspekte sind mir in meinem Test aufgefallen, die ich auch auf der Website des NCSC gemeldet habe.

  1. Unzureichende Kontraste
  2. Überschriften sind nicht als solche ausgezeichnet
  3. Keine Information, wenn man beim Klick auf einen Link die App verlässt und eine Website im Browser besucht.

Unzureichende Kontraste auch im Modus «Erhöhter Kontrast»

Beim iPhone ist es in den Accessibility-Einstellungen möglich, einen grundsätzlich erhöhten Kontrast zu aktivieren. So lautet auch eine Rückmeldung auf Github auf einen Hinweis zum fehlenden Kontrast.

Ich bin der Meinung, dass der Kontrast zwischen Text und Hintergrund auch dann ausreichend sein soll, wenn dieser Modus nicht aktiviert ist. Denn: Du kannst nicht davon ausgehen, dass jeder User und jede Userin diese Option kennt.

Ich habe beides getestet. Einmal mit erhöhtem Kontrast, einmal ohne. Doch selbst bei aktiviertem erhöhten Kontrast ist das Kontrastverhältnis zwischen Text und Hintergrund nicht ausreichend.

Das Kontrastverhältnis ist auch im Modus «Erhöhter Kontrast» nicht ausreichend.
Gemäss WCAG 2.0 muss das Kontrastverhältnis mindestens 4.5:1 betragen.
Nur bei einem ausreichenden Kontrast können Menschen mit Sehbehinderung den Inhalt problemlos wahrnehmen.

Inkonsistente Auszeichnung der Überschriften

Blinde und sehbehinderte iPhone-Anwender bedienen das Smartphone mithilfe des integrierten Screenreaders «VoiceOver». Du kannst VoiceOver ebenfalls in den Einstellungen aktivieren. Mithilfe von speziellen Gesten kannst du dann auf dem Touchscreen navigieren.

Eine beliebte Funktion ist das Anzeigen von Überschriften. Ähnlich wie beim Navigieren auf einer Website, können iPhone-User auf diese Weise den Inhalt «querlesen» und von Überschrift zu Überschrift springen, ohne sich alles vorlesen zu lassen.

Bei der SwissCovid-App sind auf der Infoseite alle Überschriften korrekt ausgezeichnet. Auf den übrigen Seiten fehlt diese Auszeichnung. Sehende erkennen die Überschriften an der fetten und farbigen Schrift. Für VoiceOver-Anwender präsentiert sich alles einfach als Textabschnitt.

Inkonsistente Auszeichnung der externen Links

Linktexte solllten gemäss WCAG 2.1 die Anwenderinnen und Anwender jederzeit über das Linkziel und Funktionen informieren.

Dies geschieht beim FAQ-Button vorbildlich: Der Linktext informiert den User darüber, dass man bei Klick die SwissCovid-App verlässt und sich ein Fenster im Browser öffnet.

Bei allen anderen Links fehlt diese Information, obwohl ein Icon für Sehende darauf hinweist.

Fazit: Die SwissCovid-App ist zugänglich, hat aber Schönheitsfehler

Die SwissCovid-App ist einfach gehalten, visuell ansprechend und auch mit VoiceOver bedienbar. Alle Elemente sind erreichbar. Dass die App schnörkellos, zweckmässig und grundsätzlich zugänglich ist, ist keine Selbstverständlichkeit. Die österreichische App «Stopp Corona» sei beispielsweise nicht barrierefrei. Bei der neuseeländischen App, welche ohne Ländereinschränkung im AppStore erhältlich ist, musste ich mich erst registrieren, um «NZ COVID Tracer» testen zu können. Damit das Tracing funktioniert, muss man anschliessend bei den teilnehmenden Orten einen QR-Code scannen.

Doch obwohl die Schweizer App grundsätzlich zugänglich ist, würde sie einen Test streng nach den Erfolgskriterien der WCAG 2.1 nicht bestehen.

Die externen Links und die Überschriften wurden teilweise richtig ausgezeichnet. Die Entwickler wissen, wie das geht – und es steckt auch keine «Rocket Science» dahinter. Die kleinen Schönheitsfehler liessen sich also mit sehr geringem Aufwand beheben, so dass die App nicht nur «grundsätzlich bedienbar» ist, sondern barrierefrei nach eCH-Standard 0059, den Richtlinien für Internetangebote der öffentlichen Verwaltung.

PS: Ich bin ein Gewohnheitstier und nutze seit 2009 ein iPhone, weshalb ich SwissCovid nicht auf einem Android-Gerät getestet habe. Du nutzt ein Android-Gerät und hast die App ebenfalls getestet? Erzähle gerne von deiner Erfahrung in einem Kommentar.

2 Kommentare zu “Wie barrierefrei ist SwissCovid, die Schweizer Tracing-App?

  1. Auf Android ist die App auch bedienbar. Aber es werden keine Überschriften angezeigt, wie auch der Hinweis, dass beispielsweise der Corona-Virus-Check auf die Bag-Seite führt, fehlt.
    Grundsätzlich weiss man nicht, bei den Dingen, welche man wählen kann, um was für eine Art Steuerelemente es sich handelt. Schade, dass es immer noch an solchen kleinen Fehlern scheitert.

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