Die grössten Accessibility-Irrtümer

Ich befasse mich schon seit 2011 mit dem Thema Web-Accessibility. Und noch immer erkläre ich diesen Begriff regelmässig in Gesprächen mit Unwissenden oder stolpere über falsche Aussagen. Eine Sammlung dieser Accessibility-Mythen und eine Erklärung, warum sie falsch sind.

Mein Angebot muss nicht barrierefrei sein

Gemäss Art. 8 der Bundesverfassung darf in der Schweiz niemand diskriminiert werden. Auch in anderen Ländern gibt es Gesetze und Konventionen, welche die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen sicherstellen.

So gibt es zum Beispiel in den USA das Antidiskriminierungsgesetz ADA (The Americans with Disabilities Act). ADA gilt sowohl für Behörden, als auch für Privatunternehmen. In zahlreichen Ländern in Europa sind neben der UNO-Behindertenrechtskonvention weitere Gesetze in Kraft: The Equality Act of 2010 in Grossbritannien. Reférentiel Général d’Accessibilité pour les Administrations RGAA in Frankreich. Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung BITV 2 in Deutschland.

Die Aufzählung ist nicht vollständig, zeigt aber, dass Menschen mit Behinderungen in vielen Ländern von Gesetzes wegen das Recht haben auf den gleichen Zugang zu Information und Kommunikation.

Somit dürfte klar sein: Ja, auch dein Angebot muss barrierefrei sein. Anders als in den USA ist es in der Schweiz eher selten, dass Menschen mit Behinderungen ihre Rechte via Klage einfordern. Stattdessen ist es so, dass sie sich dann einfach nach einem anderen Anbieter umschauen. Das heisst, auch wenn du nicht unbedingt eine Klage riskierst, so riskierst du doch, potentielle Kunden zu verlieren.

Barrierefreiheit dient nur einer Minderheit

«Ja, aber was sind schon ein paar wenige Blinde, die woanders einkaufen?», wirst du dir vielleicht denken. Falsch gedacht. Web-Barrierefreiheit ist nicht nur für eine Minderheit.

Es sind viel mehr Menschen auf barrierefreie Webangebote angewiesen, als du denkst. Denn es geht dabei nicht nur um die Bedürfnisse von Blinden und Sehbehinderten; Menschen mit ganz unterschiedlichen Behinderungen stossen immer wieder auf Barrieren im Web. Nicht zu vergessen ist aber auch die immer grösser werdende Gruppe von älteren Nutzerinnen und Nutzer. Unsere Seniorinnen und Senioren haben altersbedingt möglicherweise eine Sehbeeinträchtigung oder einen Tremor, so dass sie auf eine einfache und mit der Tastatur funktionierende Bedienung angewiesen sind.

Barrierefreiheit dient also nicht nur einer Minderheit, sondern allen, ganz egal, ob mit oder ohne sichtbare Behinderung.

Barrierefreiheit ist eine Mode-Erscheinung

Computer, Internet und Smartphones haben unser Leben in allen Bereichen verändert. Ein Leben ohne diese Technologien ist in unserer Kommunikations- und Informationsgesellschaft nicht mehr vorzustellen.

Die Forderung nach barrierefreien Web-Angeboten, Informationen und Anwendungen ist also nicht nur eine kurzfristige Erscheinung, sondern etwas, das uns alle noch lange begleiten wird. Denn es wird künftig eher noch mehr in Richtung Digital gehen. Investiere deshalb schon jetzt in eine inklusive Zukunft, in der alle Menschen die gleichen Chancen haben.

Es reicht, wenn wir am Schluss auf Barrierefreiheit testen

Wer seine Website erst kurz vor der Liveschaltung testet oder testen lassen will, sollte es besser ganz bleiben lassen. Denn meist ist es dann bereits zu spät, mit vertretbarem Aufwand Accessibility-Mängel zu beheben. Und glaube mir, davon wird es einige geben.

Wer erfolgreich eine barrierefreie Website erstellen will, sollte die Anforderungen schon von Anfang an berücksichtigen. Hierbei ist wichtig, die Barrierefreiheit immer wieder in einem agilen Prozess zu überprüfen.

Barrierefreiheit ist kompliziert und teuer

Wer erst am Ende testet und dann die Mängel beheben will, wird feststellen: Ja, Barrierefreiheit kann einen tatsächlich teuer zu stehen kommen. Das muss aber nicht sein.

Barrierefreiheit sollte ein selbstverständlicher Bestandteil eines Website-Projektes sein und nicht ein Extra-Kostenpunkt. Hier lohnt es sich, mit auf Web-Accessibility spezialisierte Partner zu holen oder das Testing von externen Spezialisten durchführen zu lassen.

Unsere Website ist zertifiziert und barrierefrei

Doch Achtung: Auch wenn deine Website zertifiziert und bei Liveschaltung gemäss WCAG 2.1 barrierefrei ist, bedeutet es nicht, dass dem auch so bleibt. Zahlreiche Accessibility-Mängel sind auf redaktionelle Fehler oder Weiterentwicklung einer Website zurückzuführen.

Einmal zertifiziert heisst also nicht, dass du dich zurücklehnen kannst und dich nicht mehr um barrierefreie Inhalte kümmern musst.

Barrierefreie Websites sind hässlich

Über Geschmack lässt sich streiten – und auch viele nicht-barrierefreie Websites sind hässlich und benutzerunfreundlich. Ich habe zahlreiche Webprojekte begleitet und getestet.

Ja, bei barrierefreiem Webdesign musst du einige Regeln und Kriterien berücksichtigen. Manchmal bedeutet das auch, dass man sich einschränken muss. Meine absolute Lieblingsfarbe ist Türkis. Könnte ich auf meiner Website aber nur als Akzentfarbe verwenden und auf keinen Fall, um Informationen zu vermitteln.

Aber: Meine Website soll ja nicht nur mir gefallen. Ich will möglichst viele Menschen erreichen – und das kann ich mit einer barrierefreien Website, deren Inhalte für alle gleichermassen gelesen, gesehen und genutzt werden können.

Barrierefrei, benutzerfreundlich, funktionell und schön – das sollte ein erfahrener Designer doch hinkriegen?

Keine Ausrede für nicht-barrierefreie Websites

Wie du siehst, gibt es keine Ausrede, warum deine Website nicht barrierefrei sein kann. Im Gegenteil, es gibt so viele gute Gründe, warum deine Website und alles, was du anbietest, für alle zugänglich sein sollte.

Möchtest du mehr erfahren, wie du dein Angebot und deine Inhalte besser zugänglich machen und damit mehr Menschen erreichen kannst?

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