Zweimal fünf Jahre selbständig: Ein persönlicher Rückblick

Vor über zehn Jahren machte ich mich das erste Mal selbständig. Die ersten fünf Jahre Selbständigkeit als Mitgründerin und Partnerin bei BossharTong waren geprägt von Konflikten, Stress und Unzufriedenheit – dieses Kapitel endete mit der privaten und geschäftlichen Trennung von meinem Ex-Partner. Dass ich mich 2018 erneut auf das Abenteurer der Selbständigkeit einliess, war eher ein Zufall.

Denn ich reiste der Liebe wegen in die USA und war froh, dass ich verschiedene Freelance-Projekte von überall aus umsetzen konnte. Die letzten fünf Jahre waren erfüllend – unter anderem auch, weil ich aus den Fehlern der ersten Jahre lernen konnte.

Fixkosten tief halten

Was ich anders gemacht habe? Ich konzentrierte mich auf das Wesentliche: Für den Anfang brauchte ich tatsächlich nur mein MacBook und Internet. Bei der Auswahl der Tools achtete ich auf möglichst tiefe Kosten, vor allem bei Software-Lizenzen. Im ersten Jahr nutzte ich zum Beispiel die kostenlose Version von Smallinvoice für Rechnungen und Offerten sowie ein Excel-Sheet für meine Milchbüechli-Buchhaltung. Erst später investierte ich einmalig in die Lizenz von GrandTotal. Natürlich gibt es für meine tägliche Arbeit unverzichtbare Tools mit wiederkehrenden Kosten, aber wenn immer möglich wähle ich die Kauf- und nicht die Mietversion. Oder wähle eine selbstgehostete Lösung, wie zum Beispiel Mautic für meinen Newsletter oder Matomo für das Tracking des Website-Traffics.

Im ersten Jahr als digitale Nomadin brauchte ich keine superschnelle Internetverbindung, kein neues MacBook, kein teures Webhosting, keinen eigenen Server im Keller, keinen Drucker und erst recht keine Visitenkarten. Ich bin ein Eine-Frau-Unternehmen und will nicht vorgeben, eine Agentur zu sein.

Vernetzen, aber richtig

Als Mitinhaberin von BossharTong versuchte ich, überall dabei zu sein. Schliesslich ist das Netzwerk doch so wichtig, um an Aufträge zu kommen! So dachte ich zumindest und verteilte wo immer möglich meine Visitenkarten. Ich war Mitgründerin des Vereins Social Media Snack, war im Vorstand von Leaderinnen Ostschweiz und reiste regelmässig nach Zürich, um an Events teilzunehmen.

Das Resultat? Als Introvertierte fühlte ich mich oft ausgelaugt nach einem Networking-Anlass. Die Aufträge liessen auch auf sich warten. Erfüllend waren nur die persönlichen Begegnungen mit Menschen, die ich bereits online kannte.

Dass Online Offline schlägt, zeigte sich beim Neustart meiner Selbständigkeit. Meinem Online-Netzwerk verdanke ich es, über die Jahre einen Stamm an treuen und zufriedenen Kundinnen und Kunden aufgebaut zu haben.

Den Wert der eigenen Arbeit kennen und schätzen

Ein Grund für die Unzufriedenheit in den ersten fünf Jahren war der ständige Druck, genügend Aufträge zu gewinnen, um alle Fixkosten und zwei Löhne decken zu können. Dieser Druck ist spürbar, wenn man mit potentiellen Kundinnen und Kunden verhandelt. Wenn diese verspätet zahlen oder die aufgewendeten Stunden in Frage stellen, sorgt das zusätzlich für Unmut und stellt die gesamte Liquiditätsplanung auf den Kopf.

Die Fixkosten tief zu halten, entlastet bereits enorm. Was mir als Einzelunternehmerin ebenfalls hilft: Ich rechne im Normalfall nicht mehr nach Stunden ab, sondern vereinbare eine Pauschale. Das ist für beide Seiten angenehm. Ich kenne den Wert meiner Arbeit und erhalte die Entlöhnung, die ich für angemessen halte. Meine Kundinnen und Kunden kennen von Anfang an die Kosten und wissen, was sie für ihr Geld bekommen.

Seit 2018 hat keine Kundin und kein Kunde meinen Preis in Frage gestellt. Ich fühle mich wertgeschätzt und bin zufrieden.

Ausblick auf die nächsten 5 Jahre

In den vergangenen 5 Jahren ist viel passiert. Ich habe nochmals geheiratet, bin in die USA ausgewandert, habe meinen Vater verloren, bin nochmals Mutter geworden, habe ein Haus in Pennsylvania gekauft. Und die Pandemie hat Remote-Arbeit für mich vereinfacht.

Was in den kommenden Jahren auf mich zukommt, weiss ich deshalb schlicht nicht. Was sicher bleibt: Ich mache, was mir Spass macht. Als Allerlay mit allerlei Interessen wird mir bestimmt nicht langweilig: Ich arbeite als Accessibility Consultant im Mandatsverhältnis bei «Zugang für alle», erstelle Newsletter-Templates für Scope, sorge für «Any Working Mom» für mehr Reichweite auf Pinterest und fördere die Barrierefreiheit im Web als freie Texterin und Beraterin für barrierefreie Inhalte. Diese Mischung erlaubt mir die Vereinbarkeit von Familie, Arbeit und meinen eigenen Träumen.

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